Feier der Ordensjubiläen am 11.09.2010

Orgelandacht: Wer nur den lieben Gott lässt walten…

Von Kindheit an vertraute Melodie und in Fleisch und Blut übergegangener Text: „Wer nur den lieben Gott lässt walten“. Wie oft gesungen – gemeinsam im Gottesdienst oder im eigenen Herzen – durch 25/40/50/60 oder 70 Ordensjahre.

Georg Neumark hat das Kirchenlied um 1641 zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges gedichtet und vertont. Er hat es selbst als Trostlied bezeichnet. Es handelt vom Gottvertrauen. Gut, dass von den ursprünglich 7 Strophen nicht nur die ersten Zwei im Gotteslob stehen, sondern auch die Siebte. Sonst würde unser Gesang mit der Zeile enden: „Wir machen unser Kreuz und Leid nur größer durch die Traurigkeit“. 

Mit der Traurigkeit kommt man nicht weit. Sie zieht einen hinunter, und ihr nachgeben heißt untergehen. Weil es aber nichts nützt, sie zu verdrängen und zu verleugnen und auf fröhlich zu machen, deswegen gehört die Traurigkeit angesprochen. Vieles könnte unsereins traurig machen: Der Blick auf den Lauf der Welt und das Schicksal der Menschen mit ihren Zwängen von Leistung und Konsum, die den Menschen zur Nummer erniedrigen, zum unpersönlichen Objekt; das gnadenlose Konkurrenzdenken im Kleinen und im Großen und damit verbunden Angst und Gewalt; die Erfahrung: „Du bist was du hast“ und: „Du giltst, was du dir leisten kannst“. Traurig machen kann einen so mancher Zustand der Kirche und der Blick auf eigene Nöte. 

Das Lied hält fest: Wer nur den lieben Gott lässt walten und hoffet auf ihn allezeit, den wird er wunderbar erhalten i n aller Not und Traurigkeit.

In einer weiteren Strophe heißt es darum: „Gott, der uns sich hat auserwählt, der weiß auch sehr wohl, was uns fehlt“. Halten wir fest: 1.) Er hat sich uns auserwählt. Das ist die Urgegebenheit. Das feiern wir heute. 2.) Gott weiß, was los ist mit der Welt, den Menschen, der Kirche, den Orden, mit uns, mit mir. Gott weiß es. Das genügt.

Gott weiß es. Das genügt: Das ist die Basis, die Startrampe, die Grundlage, der Ausgangspunkt, das Innerste Pünktlein, um das sich alles dreht, und das seinerseits alles in Bewegung hält.

Dem Lied gemäß ergreifen wir unsere Berufung in fünf Schritten, wie sie uns die letzte Strophe weist:

Sing! Das ist das Erste. Das ist unser Grundauftrag. Sing das Lied der Freude darüber, dass es Christus gibt, dass Gott ihm Recht gegeben hat, dass seine ohnmächtige Macht sich durchsetzt, dass eine neue Möglichkeit da ist, Seine Möglichkeit. Sing an gegen den Tyrannen von außen und gegen den Tyrannen im eigenen Herzen.

Bet! Wir sichern uns an Gott. Nimm den liebenden Herrn in den Blick, nimm dir seine Liebe zu Herzen. Betend lass die Sorge um die eigene Sache los, und werde frei für den Dienst, zu dem man dich braucht, zu dem Gott dich persönlich gerufen hat.

Und geh auf Gottes Wegen! Geh und verkünde dadurch, dass es inmitten einer ausweglos scheinenden Welt einen Weg gibt: Seinen Weg, die Art und Weise, wie sich Jesus Christus in seiner Menschwerdung, in seinem Leben, Leiden und Sterben eingelassen hat auf dieses Leben mit seinen Entfremdungen. Wenn Jesus sich selbst als Weg geoffenbart hat, dann können wir nicht nur stehend und schauend das Heil erwarten. Wir werden zu Grenzgängern der Hoffnung.

Verricht das Deine nur getreu! Du musst nicht die Aufgabe deiner Mitschwester, deines Mitbruders verrichten, sondern die deine. Du musst nicht die Welt erlösen, nicht die Kirche erneuern, nicht den Orden retten. Halt es aus in deinen vier Wänden, verricht das Deine. Weder für das Vergangene noch für das Künftige bist du verantwortlich, sondern für den heutigen Tag. Der heutige Tag, der uns zur Feier der Ordensjubiläen zusammengeführt hat, das ist der Tag des großen Vertrauens, das ist der Tag, den der Herr gemacht hat.

Herr, lehre uns das Vertrauen, lehre uns die Hingabe, wann, wenn nicht jetzt, wo, wenn nicht hier, mit wem, wenn nicht mit uns. Du, Herr, trau uns dir von neuem an, nimm unseren Dienst an – im Klassenzimmer und in der Bügelstube, auf der Pflegestation und am Telefon, in der Leitung der Gemeinschaft und in der Kapelle vor dem Tabernakel, wenn ich anderen helfen kann und wenn ich mir von anderen helfen lassen muß.

Lasst uns dem Himmel trauen, dann wird er bei uns werden neu.

Josef Fischer